Hypnosystemische Trauerbegleitung
Für mich gibt es drei wesentliche Aspekte in der Trauerbegleitung:
- Dasein
- Aushalten
- Mitgehen
Es ist eine Nähe Not wendig, die kaum Worte braucht
und eine echte Bereitschaft mit-fühlende Nähe anzubieten.
Mit-Sein auf Augenhöhe, haltgebende, klare Unterstützung im Prozess der Trauer soll meinem Gegenüber Raum anbieten. Trauernde sollen begleitend erfahren, dass sie ihr Leiden und den verbundenen Schmerz zulassen dürfen und dafür nicht bestraft oder abgelehnt werden. Sie sollen sich in Wertschätzung der Situation und ihrer Persönlichkeit ausgehalten wissen.
Es gibt Menschen, auf die ich mich eingelassen habe und denen es zunächst nicht möglich war sich dem Fließen der Trauer zuzuwenden, sie wollten zunächst in ihrem Schmerz und in ihrem Leid gesehen und anerkannt werden. Und sie wollen es mitteilen, darüber sprechen und benötigen hierfür eine Bereitschaft zuzuhören, ohne dass so gleich ein Rezept, eine Lösung angeboten wird.
Langfristig will ich dabei unterstützen die Trauer mit all ihren Facetten ins Fließen zu bringen, damit ein Leben, in dem es auch wieder Freude geben darf, möglich wird.
Mitgefühl mit sich selbst als Begleiter und mit „den Anderen“ kann eine tragende Kraft sein, ohne dass der Begriff mitgefühl jemals in der therapeutischen Begegnung verwendet, viel mehr als Haltung vorgegeben wird.
止
Aus hypnosystemischer Sicht geht es mir um eine neu zu findende Beziehung
des Trauernden zum Verstorbenen.
Der systemische Ansatz in der Trauerbegleitung orientiert sich an dem Beziehungssystem, das der Weggegangene und der Hiergebliebene bilden.
Sie anerkennt die schmerzliche Unveränderlichkeit der Abwesenheit
eines geliebten Menschens – in der es zunächst keine Normalität mehr gibt.
Ein „Suchen des Verstorbenen“ geschieht unwillkürlich als hilfreiche Ressource in der Trauer. Den geliebten Menschen nicht „loslassen“ zu müssen, sondern eine Veränderung in der „eigenen Erlebniswelt“ aufzudecken, ist eine Handlungsidee in der systemischen Trauerbegleitung.
In der Trauer geschieht immer auch Kommunikation und Beziehung MIT dem Verstorbenen – und das genau ist der Ansatzpunkt eines hypnosystemischen Verständnisses der Trauer.
Sie unterstützt Trauernde bei der Konstruktion einer durch den Verlust veränderten Identität, bei der Neu(er)Findung des Lebens nach einem Verlust und bei der Neukonstruktion einer stimmigen Gesamtbetrachtung, in der der Verlust und der Weggegangene integriert sind.
Der Tod ist Bestandteil des täglichen Lebens. Trauer kann jeden zu jeder Zeit treffen.
Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist wichtig und schwerwiegend.
Sie kann bereichernd sein, wenn anerkannt wird, dass der Umgang mit Menschen immer ein Geben und Nehmen ist.
Die eigene Begrenztheit zu erkennen ist wahrscheinlich der erste und vielleicht wichtigste Schritt für die sensible Begleitung in einer hypnosystemisch orientierten Trauerbegleitung…
Trauer muss nicht bewältigt werden – sie gehört zum Leben: Trauer und Leiden, Krankheit und Schmerzen sind Aufgaben, die „Mensch mit sich selbst“ konfrontiert.
Trauer muss auch nicht ver-arbeitet (im Sinne von verdrängt) werden, kann sich jedoch durch „Trauerarbeit“ verändern. Trauerprozesse verlaufen nicht linear, sondern spiralenförmig und sind somit nicht berechenbar.
Diese Perspektive gibt aufschlussreiche, wertvolle Erkenntnisse über Umgangs-Strategien. Für die systemische Trauerbegleitung könnte es nützlich sein, diese Perspektive zu ergänzen, zu vertiefen mit der uralten Erkenntnis der buddhistischen oder der christlichen Tradition, dass Leiden, Krankheit, Trauer und Tod nicht bewältigt werden müssen, sondern zum Leben dazugehören wie Regen und Wolken zum Frühling.
Trauer bewältigen
Verunsicherung bewältigen
Zweifel bewältigen
Zeitweilige Untröstlichkeit bewältigen
nicht ver-arbeiten wollen bewältigen!
Leere bewältigen
Fülle bewältigen.
Ich habe von alldem
bisher noch nicht viel bewältigt!
Es gibt wohl für alles zwei Zeitpunkte,
den richtigen und den verpassten!
Was bedeutet das für mich?
Leben und Sterben geschieht
Hier – Jetzt!
Heute und gestern –
Glück und Leid,
alles geschieht zu gleichen Zeit!
Das Eine kann ohne das Andere nicht sein!
Trotz alledem entwickelt sich
um mich herum wieder und wieder
eine in den Tag drängelnde,
sich an Gestern anknüpfend wollende
Gleich gültig keit!
Kaum auszuhalten!
Es ist zum Davonlaufen!
In diesen Augenblicken ahne ich
nur dieses Wort „bewältigen“
will bewältigt werden!
Be-welt-igen! (sp)
Wer allein ist mit seinem Schmerz, der braucht jemanden, der mit ihm zusammen einsam ist, der die Trauer und das damit verbundene Leiden mit aushält. Im Lateinischen heißt Trost „consolatio“, wörtlich übersetzt „Mit-Einsamkeit“. Es geht nicht um einen Trost, der „erbittert das Reisig zusammenträgt“, um ein „Wunder zu erzwingen“, wie es Hilde Domin so treffend formuliert hat. Wir „zünden es an, das Haus aus Schmerz“, aber häufig geht es darum, das „Haus aus Schmerz“ einfach sein zu lassen, ohne es mit Trost zu belagern.
Eine wesentliche Erkenntnis für mich formuliert Nietzsche: „Von allen Trostmitteln tut Trostbedürftigen nichts so wohl wie die Behauptung, für ihren Fall gebe es keinen Trost. Darin liegt eine solche Auszeichnung, dass sie wieder den Kopf erheben.“ Diese Aussage Nietzsches lässt bei genauerer Betrachtung mit dem Bewusstsein des Nicht-Trösten-Könnens, dem Trauernden Raum für das Gefühl des Untröstlich-Sein-Dürfens, des Nicht-bei-Trost- Seins oder des Verrückt-Seins. Sie lässt ein Gefühl entstehen, mit dem Trauernde im Laufe ihres Trauerweges vertraut werden. Ein zentraler Moment des Tröstens ist, dem Anderen sein Leid zu lassen, das Leid nicht wegzureden, es weder durch Gesten noch durch Riten versuchen zu negieren, sondern es zu achten, zu würdigen, ernst zu nehmen und bestenfalls mit zu fühlen. Genau dieses „Lassen“ macht es möglich, dass sich das Leiden und der Leidende verändern – und zwar im Leid, nicht außerhalb des Leides. Wenn das Teil der Haltung ist, dann wird damit der Grundsatz, der Trauernde ist Experte seines „Verlust-bewusstseins“ bestätigt; der Begleiter anerkennt das Trauern und erhebt nicht den Anspruch zu wissen, wie er trösten kann, er gibt die Gelegenheit, trauern zu dürfen und bietet (sich) an, auf dem individuellen Weg des Trauernden, untröstlich zu sein, zu begleiten.
Der Philosoph Martin Heidegger trifft in die Mitte, wenn er sagt, dass Denken alleine nicht trösten kann. Das heißt für mich: Helfen kann nur, wer selbst festen Boden unter den Füßen hat. Es braucht die Handlung, auch im „Nicht Handeln“ und eine klare Haltung.