Beratung in irritierten Systemen

Supervision und Beratung in irritierten Systemen
nach Vorwürfen von sexualisierter Gewalt: 


Sexualisierte Gewalt ist eine schmerzhafte Realität, die sowohl individuell Betroffene als auch ganze soziale Systeme  erschüttern kann (also eine Grup­pe von Men­schen, die durch die Nähe zu sexua­li­sier­ter Gewalt oder von Vorwürfen indi­rekt betrof­fen,  und dadurch mit­ein­an­der ver­bun­den  sind). Wenn Vorwürfe von sexualisierter Gewalt auftreten, werden Familien, Freundeskreise, Schulen oder Arbeitsumgebungen (“Sys­te­me”) oft zu sogenannten „irritierten Systemen“. In solchen Situationen sind professionelle Supervision und Beratung von entscheidender Bedeutung, um den Betroffenen und dem gesamten System eine unterstützende Begleitung auf dem Weg der Bearbeitung und Wiederherstellung von Vertrauen zu bieten.

Definition von sexualisierter Gewalt
Sexualisierte Gewalt umfasst jegliche Form von Verhalten, das auf sexueller Grundlage oder mit sexuellen Absichten stattfindet. Dies kann physische Gewalt wie sexuelle Übergriffe oder Vergewaltigung sein, aber auch verbale Attacken, anzügliche Bemerkungen, sexuelle Belästigung oder unangemessene Kommentare. Es ist unabdingbar, solches Verhalten zu erkennen und ernst zu nehmen, es keinesfalls zu dulden oder zu verharmlosen, zu vertuschen oder zu bagatellisieren. Nur so kann eine sichere und respektvolle Umgebung für alle im System gewährleistet werden.

Im speziellen Kontext von Vorgesetzten gegenüber Mitarbeitern bedeutet dies, dass auch verbale sexuelle Belästigung, anzügliche Bemerkungen oder unangemessenes Verhalten als sexualisierte Übergriffigkeit betrachtet werden muss.

Ermittlungen bezüglich solcher Vorwürfe sollen in der Regel außerhalb der Einrichtung durchgeführt werden, um Unabhängigkeit und Neutralität zu gewährleisten. Der Vorgesetzte selbst sollte nicht für die Untersuchung verantwortlich sein um mögliche Interessenskonflikte und den Vorwurf der Parteilichkeit zu vermeiden.

Die Rolle von Supervision und Beratung in irritierten Systemen
In meinem spezifischen Studium und zusätzlichen Weiterbildungen als Berater für irritierte Systeme und durch meine entsprechende Arbeit mit Betroffenen, Beschuldigten und irritierten Systemen habe ich eine hohe Kompetenz entwickelt in der Frage des Umgangs mit Macht, Grenzverletzungen und den komplexen Wechselwirkungen in sozialen Strukturen. Außerdem verfüge ich über ein fundiertes Fachwissen zum Thema sexualisierte Gewalt, zu Täter- und Opferdynamiken und zu Psychotraumatologie. Mein Ziel ist es in erster Linie Einzelpersonen und/oder Teams, die mit einer solchen Thematik in Berührung gekommen und dadurch irritiert wurden, fachlich zu beraten.

Irritierte Systeme und ihre Herausforderungen
Ein irritiertes System ist ein soziales Gefüge, das durch das Bekanntwerden von Vorwürfen sexualisierter Gewalt destabilisiert wird. Es hat ein Ereignis stattgefunden, von dem Einzelne zwar nicht unmittelbar selbst betroffen sein müssen, jedoch so nah dran sind, dass einiges durcheinander geraten, also irritiert ist. In einer solchen Situation sind die Mitglieder des Systems mit einer Vielzahl von Emotionen und Reaktionen konfrontiert, darunter Verwirrung, Wut, Schuld, Verdächtigungen, Scham und Unsicherheit. Die Kommunikation kann gestört sein und das Vertrauen unter den Beteiligten ist oft erschüttert. 

Professionelle Hilfe in Form von Supervision und Beratung ist unerlässlich, um die Betroffenen zu unterstützen und den Bearbeitungsprozess einzuleiten.

Supervision: Unterstützung für das Personal
Supervision ist ein systematischer Prozess, bei dem MitarbeiterInnen ihre Arbeit mit Klienten reflektieren und ihre Fähigkeiten und Kompetenzen weiterentwickeln können. In irritierten Systemen nach Vorwürfen von sexualisierter Gewalt spielen Supervisoren eine zentrale Rolle, indem sie das Personal dabei unterstützen, angemessen auf die Herausforderungen zu reagieren und ihre eigenen emotionalen Reaktionen zu bewältigen.

Selbstfürsorge und Abgrenzung: 
Sowohl Beschuldigte, als auch Betroffene, sowie MitarbeiterInnen, die mit Betroffenen sexualisierter Gewalt arbeiten, sind besonderen, oftmals hohen psychischen Belastungen ausgesetzt. Supervision bietet ihnen einen geschützten Raum um über ihre Gefühle und Reaktionen zu sprechen und Strategien zur Selbstfürsorge zu entwickeln, um eine Überlastung zu vermeiden.

Fallreflexion und Kompetenzerweiterung: 
Durch die Reflexion von Fällen in der Supervision können MitarbeiterInnen lernen zu verstehen, dass Täterverhalten immer mit Verleumdung und Diskreditierung einhergeht und dies Irritation im System bewirkt. Es geht darum die eigene Herangehensweise in Hypothesenbildung zu reflektieren und neue Perspektiven und Methoden kennenzulernen, um den Bearbeitungsprozess der Betroffenen zu unterstützen.

Unterstützung für Betroffene und das gesamte System
Beratung ist ein zentraler Bestandteil des Prozesses in irritierten Systemen nach Vorwürfen von sexualisierter Gewalt. Professionelle Berater bieten Unterstützung für die Betroffenen, aber auch für das gesamte soziale System, um einen angemessenen Umgang mit der Situation zu finden.

Unterstützung für die Betroffenen:
Berater bieten Betroffenen einen sicheren Raum, um über ihre Erfahrungen zu sprechen, ihre Gefühle wahrzunehmen und zu artikulieren, um sich auf den Weg der Verarbeitung zu begeben. Empathie und Verständnis sind hierbei von zentraler Bedeutung, um das Vertrauen der Betroffenen zu gewinnen.

Sensibilisierung des Systems: 
Berater helfen dabei, das gesamte soziale System für die Auswirkungen sexualisierter Gewalt zu sensibilisieren. Durch Aufklärung und Bewusstseinsbildung können Vorurteile abgebaut und ein unterstützendes Umfeld geschaffen werden.

Stärkung der Kommunikation und Beziehungen:
Die Beratung unterstützt dabei, die Kommunikation innerhalb des Systems zu verbessern und Beziehungen zu stärken, um den Bearbeitungsprozess für alle Beteiligten zu fördern.

Fazit
Im Falle von Vorwürfen sexualisierter Gewalt bedarf es immer einer externen, unabhängigen Stelle, die in die Ermittlung und Aufarbeitung einbezogen werden muss. In sozialen Einrichtungen und Betrieben ist ein grundlegendes Konzept zielführend, das im Bedarfsfall Handlungsstrategien an die Hand gibt, bei entsprechenden Vorkommnissen zu agieren. Externe Supervision und Beratung sind dabei unverzichtbare Instrumente, um irritierte Systeme nach Vorwürfen von sexualisierter Gewalt zu unterstützen und den Weg einer Aufarbeitung zu ebnen. Transparenz ist dabei unerlässlich. Personen, die mit solchen Fällen konfrontiert sind, benötigen eine professionelle Begleitung, um ihr eigenes Handeln zu reflektieren und ihre Kompetenzen zu erweitern. Gleichzeitig bieten Berater den Betroffenen und dem gesamten System einen sicheren Raum, um angemessen damit umzugehen und eine Form von Vertrauen wiederherzustellen. Durch diese ganzheitliche Unterstützung können sich irritierte Systeme langsam verändern und es entwickelt sich eine Kultur des Respekts, der Sensibilisierung und der Solidarität, die sich gegen sexualisierte Gewalt in ihren unterschiedlichen Dimensionen wendet.